Kampfhunde - Zuchtverbot in Deutschland?


Bereits seit einigen Monaten zeichnet sich eine Tendenz ab, dass die Haltung sogenannter "Kampfhunde" erschwert werden soll. Bisher war die Entscheidung länderbezogen und einige Bundesländer haben bereits sehr harte Maßnahmen ergriffen, von der Erhöhung der Hundesteuer (ganz praktisch für die Gemeindekasse, aber ob es die "Zielgruppe" davon abhält, sich einen solchen Hund zuzulegen???) bis zur Maulkorb- und Anleinpflicht. Inzwischen haben diverse Vorfälle (auf einige werde ich später noch eingehen) sowie auch die nicht unbedingt neutrale Berichterstattung der Presse dazu beigetragen, dass die allgemeine Stimmung gegen Kampfhunde (aber auch Hunde im allgemeinen) angeheizt wurde. In der letzten Woche kam es, wie es kommen musste: nun soll die Bundesregierung mit einem Gesetz ein Zuchtverbot für Kampfhunderassen erlassen.

Was sind "Kampfhunde"?

Zunächst einmal fiel mir auf, dass nirgendwo in der Presse eine Liste veröffentlicht wurde, in der die Rassen aufgezählt wurden, die in diese Kategorie fallen. Somit bewegen wir uns in einem "luftleeren Raum". Irgend jemand (wer?) hat eine Liste verfasst, auf der einige Hunderassen vermerkt waren, die für die Allgemeinheit gefährlich werden können.
Klar ist, dass es anscheinend einige Rassen gibt, die von einigen schwarzen Schafen unter den Züchtern auf Aggressivität gezüchtet wurden, da sie die notwendige Nachfrage nach diesen schnell reizbaren Hunden hatten. Aggressivität ist extrem stark vererbbar und nur so ist es zu erklären, dass Tiere einiger Rassen "aus der Art schlagen" und Menschen und andere Hunden unvorhergesehen angreifen. Ich wage jedoch zu bezweifeln, dass es sich hierbei um Tiere aus seriösen Zuchtvereinen handelt, sondern vermute, dass es sich bei solchen Vorfällen um Hunde handelt, die von zweifelhaften Züchtern stammen.
Die Aufstellung dieser Rassen scheint aber wahllos zu sein. Die Beißstatistik wird angeführt von einer Rasse, die dort nicht eingeordnet ist: dem Deutschen Schäferhund. Leider gibt es auch hier keine Angaben darüber, ob die Vorfälle in ein Verhältnis zur Anzahl der Hunde in Deutschland gesetzt wurden. Denn die in Deutschland vorherrschende Hunderasse IST der Deutsche Schäferhund. Darauf komme ich gleich noch speziell zu sprechen. Eine weitere Rasse ist hingegen als Kampfhund eingeordnet, die anscheinend (das entnehme ich diversen wirklich empörten Leserbriefen der Tagespresse) gar nichts mit dieser Problematik zu tun hat: die Bordeauxdogge.
Die Mischlinge werden überhaupt nicht erfasst bzw. berücksichtigt.
Kommen wir nun zum angestrebten Gesetzesentwurf, der , wie in der Presse verlautet, gute Chancen hat, angenommen zu werden. Nun werden die "Kampfhunde" dieser anscheinend wahllosen Zusammenstellung einem Zuchtverbot unterworfen. Das bedeutet, dass hier Rassen aussterben werden (wogegen ich nichts einzuwenden hätte, wenn dieses einem sinnvollen System unterworfen wäre und z.B. auch Qualzuchten eingeschlossen wären). Eine sehr vorherrschende Meinung ist jedoch, dass nur vereinzelte Linien bzw. Tiere diese Aggressivität besitzen. Wie sonst lässt sich erklären, dass viele "Kampfhunde" friedlich in Familien leben. Mit diesen Hunden existieren tatsächlich "Zeitbomben".

Die Berichterstattung der Presse

Ohne die liebe Presse, allen voran natürlich die "meinungsBILDende" Presse und einigen Fernsehsendern, die mir bereits des öfteren negativ aufgefallen sind, da sie sehr einseitige Darstellungen bringen, hätte das Ganze diese Ausmaße nie angenommen.
Ich möchte ganz klar sagen, dass es sehr schlimm ist, wenn ein Kind von einem Hund angegriffen und verletzt oder gar getötet wird. Dennoch wäre eine sachliche Berichterstattung wünschenswert. Das Tier, das angegriffen hat, ist nicht tragbar und wäre weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Umwelt, auch das ist klar. Ebenso klar ist, dass der allein Schuldige mal wieder nicht der Hund, sondern der Mensch ist - nicht das Opfer, sondern der, der den Hund zu dieser wandelnden Zeitbombe gemacht hat. Der Züchter ebenso wie in vielen Fällen der Besitzer. Eine ganze Rasse deswegen zu verteufeln ist typisch für das Verhalten der Menschen. (Ein Wolf reißt ein Schaf, also wird kurzerhand alles erschossen, was sich bewegt und nach Wolf aussieht)
Leider ist es nicht nur in diesem Fall so, dass die Berichterstattung reißerisch und oftmals unsachlich wird, nur um höhere Auflagen oder höhere Einschaltquoten zu erreichen. Je mitleidserregender die Darstellung ist, desto besser. Da tat ein Mitarbeiter eines Tierschutzvereins (!!!) vor laufenden Kameras, dass man ein solches Tier am besten erschlagen soll, wenn es einem begegnet. Natürlich ist es schlimm für die Opfer, aber ob es der Psyche eines angegriffenen Kindes unbedingt gut tut, vor laufende Kameras geholt zu werden, um noch einmal genau zu erzählen, was denn passiert sei - ich bin kein Psychologe, aber ich zweifle es an. Nach einem besonders schlimmen Fall in Bremerhaven war natürlich auch unsere lokale Tagespresse tagelang mit dem Thema Kampfhunde beschäftigt. Egal, was passiert war, es war einen Artikel wert. Als Hundehalter wundert man sich dann, wenn unter entsprechend ins Auge fallender Überschrift ein Artikel erscheint, der im Alltag eines Hundes mehr oder weniger normal ist. Zwei Hunde (natürlich ein Kampfhund beteiligt, sonst wär's ja nicht so interessant) haben sich gerauft, der Besitzer hatte versucht, sie zu trennen und war dabei vom Kampfhund (woher wußte er das??) gebissen worden. DAS wäre wohl jedem Besitzer passiert, wenn er so - Entschuldigung - dämlich ist und versucht, zwei kämpfende Hunde mit bloßen Händen zu trennen. Aber es zeigt wieder, wie stark die öffentliche Meinung durch solche Berichte zu beeinflussen ist.

Der Fall "Schäferhunde" - geraten wir in die Schusslinie?

Ganz bewusst habe ich das Wort "Schäferhunde" nicht mit dem Zusatz "Deutsche" versehen, denn wenn die Rasse einbezogen werden sollte, wird es niemanden interessieren, dass die Weißen Schäferhunde sich im Wesen unterscheiden und keinesfalls als aggressiv zu bezeichnen sind. (siehe Beispiel Bordeauxdogge) Wenn einmal der Schäferhund betroffen sein sollte, dann wird es allgemein für Deutsche, Belgische, Holländische, Schwarze, Weiße und was-weiß-ich-für-Schäferhunde gelten.
In besagten Leserbriefen, die ein sehr gutes Licht auf die Meinung der Öffentlichkeit werfen, wird bereits sehr häufig der "Deutsche Schäferhund" als führend in den Beißstatistiken und bei den Zwischenfällen erwähnt. Damit möchte ich keinesfalls sagen, dass die Deutschen Schäferhunde grundsätzlich als aggressiv einzustufen sind. Sie sind die führende Rasse und mit Sicherheit sind viele der Unfälle auf Unwissenheit der Besitzer zurückzuführen. Unabhängig von dieser Tatsache ist aber die Tendenz zu erkennen, dass viele (gerade die Besitzer der augenscheinlich zu Unrecht in der Liste geführten Rassen) auch den Schäferhund in dieser Liste der "Kampfhunde" sehen möchten.
Hier beginnt das Problem auch uns zu treffen. Wünschen wir dem SV, dass seine Lobby groß genug ist, dies zu verhindern. Wie wir selber bei unseren Rasseanerkennungs-bemühungen sehen mussten, ist der Einfluss nicht gerade unbedeutend. Und es ist ehrlich gesagt unvorstellbar, dass diese Rasse per Gesetz der Bundesregierung mit einem Zuchtverbot belegt wird. Aber auch eine Maulkorbpflicht und ein Leinenzwang müsste uns darüber nachdenken lassen, ob dies noch mit einer artgerechten Hundehaltung zu vereinbaren ist. Eine höhere Hundesteuer als andere möchte ich auch nicht unbedingt zahlen.
Dennoch: wir sollten uns bewusst werden, dass die Zwischenfälle auch mit Deutschen nicht gerade selten sind. Weitere Zwischenfälle - vielleicht gar mit einem Weißen Schäferhunde als Beteiligten - und auch unsere Rasse steht im Mittelpunkt des Interesses. Der "Weiße Hund von Beverly Hills" wird dann augenblicklich wieder in der Erinnerung unserer Mitmenschen sein.
Alles in allem sehe ich es so, dass mit einem Zuchtverbot rein gar nichts erreicht wird, außer dass man pro forma vielleicht die Öffentlichkeit beruhigt. Aber die Minderheiten, die dafür gesorgt haben, dass die "Kampfhunderassen" in Verruf gerieten, werden sich sehr schnell einer anderen Rasse zuwenden. Oder auf irgendwelchen illegalen Wegen versuchen, zu "ihrem" Hund zu kommen.

Worpswede, im Mai 2000

Nachtrag aus aktuellem Anlass:

Ich war leider einige Tage lang nicht in der Lage, diesen Nachtrag zu verfassen. Als ich die Nachricht vom Tod des Jungen in Hamburg hörte, musste ich erst einmal an die Seite fahren. Wir haben eine Tochter im gleichen Alter und ich muss sagen, dass das Wort "geschockt" nicht einmal das ausdrücken kann, was ich in diesem Moment gefühlt und gedacht habe.

Es hat nichts mit unseren Weißen Schäferhunden zu tun, aber als mich Rolf Jansen jetzt darum bat, meinen Artikel auf seiner Homepage einfügen zu dürfen, habe ich mich nach einigem Nachdenken entschlossen, diesen in einigen Teilen durch diesen Nachtrag zu aktualisieren. Gleichzeitig werden wir ihn im Diskussionsforum abrufbar lassen, auch wenn der nächste Monatsartikel nachrückt.

In der Pflicht stehen jetzt die Vereine, die sich mit den sogenannten "Kampfhunderassen" befassen. Die Vererbung der Aggressivität ist nicht gesichert, aber einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein aggressiver Hund diese Veranlagung in hohem Maße weiter gibt. Tiere, die sich unberechenbar oder gar aggressiv verhalten, gehören nicht in die Zucht. Die Züchter dieser Rassen stehen jetzt in der Verantwortung, Hunde zu züchten, die in der Gesellschaft wieder ihren Platz finden können und sich die Käufer ihrer Welpen genau anzuschauen. Hunde, die unmotiviert Menschen angreifen, gehören nicht auf die Straße. Und dass ein Kind vor einem Hund wegläuft, ist eine normale Reaktion. Diese darf keinesfalls dazu führen, dass der Hund angreift. Eine solch niedrige Aggressionsschwelle hat in der Hundezucht nichts zu suchen und es wäre schön, wenn die Züchter sich hierüber einmal Gedanken machen würden.

Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass sich die Halter der Kampfhunde an die Leinen- und Maulkorbpflicht halten werden, sie laufen Gefahr, sonst von der Öffentlichkeit gelyncht zu werden. Wir Hundehalter müssen allerdings damit rechnen, angefeindet zu werden und müssen durch vernünftiges (!!!) Verhalten dafür sorgen, dass diese öffentlich meiner Meinung nach sehr kritische Situation nicht zum Nachteil unserer Hunde ausartet.

Wir sollten Verständnis dafür aufbringen, wenn Eltern mit ihren Kindern mit mulmigem Gefühl die Strassenseite wechseln. Den Hund heran zu rufen und gegebenenfalls anzuleinen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Mit dem Hund an der (sicheren) Leine kann man dann immer noch das Gespräch suchen und eventuell Kind-Hund-Kontakt herstellen. Ein lockeres "der tut nichts" können wir Hundehalter uns in dieser Lage nicht mehr leisten, da es unserem Ruf eher schadet als nützt. Gerade erreichte mich ein Anruf einer Halterin, die bereits wegen des Besitzes ihrer vier Weißen Schäferhunde bedroht wird. Bei allem Verständnis für die derzeitige Angst unserer Mitmenschen: es DARF nicht in eventuelle Selbstjustiz ausarten. Aber dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, wie brisant das ganze Thema Hundehaltung momentan ist. Nicht betroffen sind wohl nur die Besitzer der ganz kleinen Rassen.

Zurück zu den Kampfhunden:

Es ist die Frage, was jetzt passieren wird. Vermutlich werden sich die Besitzer, die es nötig haben, ihr Selbstbewußtsein durch den Besitz eines solch aggressiven und gefährlichen Tieres zu stärken, einer anderen Rasse zuwenden und diese durch gezielte Zucht zu ähnlich gefährlichen Maschinen machen. Das Rezept ist sehr einfach und mit etwas Intelligenz in jedem Genetikbuch nachzulesen. Aggression ist sehr stark vererbbar.

In diesem Zusammenhang wird unweigerlich auch der Schutzdienst in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses geraten.

Wir müssen überlegen, in welche Richtung wir mit unseren Weißen gehen. Und wir müssen hoffen, dass sich besagte Leute NICHT den Schäferhund ausgucken. Denn dann haben wir ein Riesenproblem.

Gaby von Döllen Juni 2000 copyright Gaby von Döllen