Der AVK (Ahnenverlustkoeffizient)

Seit einiger Zeit taucht in Anzeigen vermehrt das Kürzel AVK auf. Es scheint ein wichtiger Zuchtaspekt zu sein, der sich hinter diesen mysteriösen Buchstaben verbirgt.

Tatsächlich bietet diese Zahl eine Möglichkeit, den Verwandtschaftsgrad einer Verpaarung oder eines einzelnen Hundes darzustellen. Der AVK steht hierbei für "Ahnenverlustkoeffizient", die Berechnung ist ein simpler Dreisatz. Ihm gegenüber steht der seltener verwendete IK (Inzuchtkoeffizient), dem eine mathematische Formel zu Grunde liegt und der etwas komplizierter zu berechnen ist.

Der AVK ist die einfachere rechnerische Möglichkeit und vermutlich aus diesem Grunde die Zahl, die am häufigsten angegeben wird. Hierbei sollte immer darauf geachtet (oder nachgefragt) werden, auf wie vielen Generationen diese Berechnung beruht. Einzige Voraussetzung für die Berechnung des AVK ist die Ahnentafeln der geplanten Verpaarung (oder des zukünftigen Welpen).

Wie berechnet man den AVK?

Wir möchten eine korrekte Berechnung anhand der Abstammung unserer beiden Hunde darstellen, angefangen bei einem 3-Generationen AVK des einzelnen Hundes. Hierzu benötigt man die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, also insgesamt 2 + 4 + 8 (=14) Hunde.

Beispiel 1: "Snuffs-White"

Generation I(Eltern): 1. Quijote von der Hohensyburg x 2. White Samba

Generation II (Großeltern): 3. Why not White Alsatian Max;4. Inka von der Hohensyburg; 5. Kulleborgs Dalton; 6. White Dior

Generation III: (Urgroßeltern): 7. Why not White Alsatian Canjer; 8. Princewood Ice Queen; 9. Baskim Vegas vom Heimathenhof; 10. Aike of the White Mountains; 11. White Columbus; 12. Bianca; 13. Robbie; 14. Arnka

Wenn die 14 möglichen Ahnen keinen Namen doppelt beinhalten, bleibt der AVK bei 100 %. Die maximale Zahl verschiedener Hunde ist vorhanden, besser geht es nicht.

Bei einer 4-Generationen Ahnentafel kommen weitere 16 mögliche Ahnen hinzu, nämlich die Generation der Ur-Urgroßeltern.

IV. Generation: 15. Vondaun Polar Moonbeam from Princewood; 16: Amiscus our Love; 17. Princewood white Sunduke; 18. White Icicle at Princewood; 19. Amigo vom Nimmertal, 20. Angie Katharina vom Heimathenhof; 21. Faro von Koljana; 22. Censi of the White Stars; 23. Ibuster; 24. White Ammie; 25. Sinky; 26. Ida; 27. Charlie; 28. Fatima; 29. White Attack; 30. Ami

Auf 4 Generationen rechnet man demzufolge mit 30 möglichen Ahnen, bei denen in dieser Ahnentafel kein doppelter Ahn verzeichnet ist.

Berechnung auf 4 Generationen: 30 von 30 Ahnen = 100 %.

In der 5. Generation finden sich bei Snuffs-White die ersten drei doppelten Ahnen. Von 62 möglichen Ahnen sind "nur" noch 59 unterschiedliche Hunde zu finden. Die Berechnung des AVK:

Berechnung auf 5 Generationen: 59 (Anzahl der vorhandenen unterschiedlichen Ahnen) x 100 : 62 (Anzahl der max. möglichen Ahnen) = 95,2.

Der AVK auf 5 Generationen ist 95,2 %; ein hervorragender Wert für einen Weißen Schweizer Schäferhund.

Beispiel 2: Fiala (*1994)

Hier ein Beispiel, wie sich "Verlustahnen" in der Folgegeneration auswirken.

Generation I (Eltern): 1.Amor vom Gnadensee; 2. Aike of the White Mountains

Generation II (Großeltern): 3. Chico-Ben vom Schloß Felsberg; 4. Biggy-Esta vom Schloß Felsberg; 5. Faro von Koljana; 6. Censi of the White Stars

Generation III (Urgroßeltern): 7. Bronko-Brady vom Eifeler Land; 8. Mona Kirby von Ronanke; 9. Flint vom Wolfsgehege; 10. Blondy vom Tecklenburger Land; 11. Blanko vom Wolfsblut; 12. Janna Portio von Ronanke; 13. Blake Star vom Eifeler Land; 14. Axiena vom Wolfsblut

Auf 3 Generationen weist auch Fiala einen AVK von 100% auf.

IV. Generation: 15. Shermans Wes Greif; 16. Cindy von Ronanke; 17. Champion von Kron; 18. Shermans Gail Diana; 19. Shermans Astor; 20. Jo'els Ruby Regalwise; 21. Sherman's Wes Greif (x); 22. Diana von Ronanke; 23. Shermans Astor (x); 24. Arabella Prinzessin vom Wolfsgehege; 25. Champion von Kron (x); 26. Biggy von Ronanke; 27. Shermans Wes Greif (x); 28. Cindy von Ronanke (x); 29. Fleetwood Woody of Hoof Print; 30. Biene vom Wolfsgehege

Von 30 möglichen Ahnen tauchen nur 25 unterschiedliche Namen auf, die übrigen fünf (versehen mit einem Kreuz) sind doppelt. Der AVK berechnet sich entsprechend dem obigen Beispiel:

Berechnung auf vier Generationen: 25 x 100 : 30 = 83,3 %

Ein regelrechter "Absturz" von der dritten in die vierte Generation. Dieser wirkt sich eine Generation weiter verheerend aus, denn die "doppelten" haben zwangsläufig identische Eltern, hinzu kommen weitere Doppelungen. Snuffs-White hatte in dieser Stufe einen AVK von 95,2 bei Fiala sieht das Ganze nicht so gut aus:

V. Generation: 31. St. Ledgers White Champion; 32. Shermans Schnee Mädchen; 33. Champion von Kron (x); 34. Krons Rani von Finn; 35. Kokes Mahalo; 36. Shangrilas Sweetygirl; 37. St. Ledgers White Champion (x); 38. Shermans Schnee Mädchen (x); 39. St. Ledgers White Champion(x); 40. Shermans Schnee Mädchen (x); 41. Jo'els Quota; 42. Jo'els Charmer; 43. St. Legers White Champion (x); 44. Shermans Schnee Mädchen (x); 45. Champion von Kron (x); 46. Krons Rani von Finn (x); 47. St. Ledgers White Champion (x); 48. Shermans Schnee Mädchen (x); 49. Champion von Kron (x); 50. Biggy von Ronanke (x); 51. Kokes Mahalo (x); 52. Shangrilas Sweetygirl (x); 53. Champion von Kron (x); 54. Krons Rani von Finn (x); 55. St. Ledgers White Champion (x); 56. Shermans Schnee Mädchen(x); 57. Champion von Kron (x); 58. Krons Rani von Finn (x); 59. JS Sebastian; 60. Regalwise Ann Lady; 61. Shermans Astor (x); 62. Hoof Print Clementine.

Von 62 möglichen Ahnen verbleiben in der 5. Generation nur noch 35! AVK = 56,4 %

Fiala ist ein Beweis dafür, dass die Zucht der Anfangszeit auf einem sehr eingeschränkten Genpool basiert und selbst bei bestem Willen oft nur drei nicht verwandte Generationen erreicht werden konnten. Vieles ist erst ersichtlich, wenn Generation für Generation zurück verfolgt wird. So gehen z.B. der B-Wurf, der C-Wurf und der D-Wurf von Ronanke auf die gleichen Eltern zurück. Wie sich der häufige Einsatz eines einzigen Rüden auswirkt, ist in dieser Ahnentafel klar zu erkennen. Erst später wurde durch zusätzliche Importe und Sensibilisierung der Züchter auf diese Problematik zum Teil Abhilfe geschaffen.

Zurück zum AVK:

Die Berechnung ist also relativ einfach: die tatsächlich vorhandenen unterschiedlichen Ahnen werden geteilt durch die Anzahl der möglichen Ahnen (3 Generationen = 14, 4 Generationen = 30, 5 Generationen = 62 und so weiter). Hieraus wird ersichtlich, wie notwendig es ist, die Anzahl der Generationen zu wissen, auf die der AVK berechnet wurde. Drei Generationen ist schlichtweg ein Witz, bei vier Generationen ist es heutzutage ebenfalls relativ einfach, einen AVK von 100 zu erreichen. Bei fünf und mehr Generationen beginnt es interessant zu werden.

Bei einer Verpaarungsberechnung würden Fiala und Karhu als Elterngeneration gelten, d.h. die hier dargestellten vier Generationen würden zu einer 5-Generationen Berechnung führen. (Nur zum Spaß: von den 62 möglichen Ahnen gehen durch Fialas Abstammung 5 verloren. Hinzu kommen die "Doppler" durch Aike of the White Mountains, Faro von Koljana und Angie Katharina vom Heimathenhof, die beide als Ahnen führen. Insgesamt gingen bei dieser Verpaarung 8 Ahnen auf 5 Generationen verloren, dies ergäbe einen AVK von 87,1%.)

Einige Aspekte zum Ahnenverlustkoeffizienten:

Wir haben zwei reale Ahnentafeln durchgerechnet. Hierbei ist zu bedenken, dass unsere Fiala bereits im Jahre 1994 zur Welt kam. Zu dieser Zeit war der Genpool (vorhandene Hunde mit unterschiedlicher Abstammung) relativ beschränkt. Viele Züchter bevorzugten "Championrüden", die heute doppelt, dreifach und noch öfter in den Ahnentafeln auftauchen. Diese häufig eingesetzten Hunde haben die Situation zusätzlich erschwert.

In der Zwischenzeit setzte jedoch ein Umdenken ein. Viele Züchter suchen nach "Fremdblut" und möchten ausschließlich nicht-verwandte Hunde verpaaren. Haben die Züchter der Anfangszeit sowohl aus der Not (es standen nur wenige Hunde zur Verfügung) und teilweise auch aus ihrer eigenen Überzeugung heraus Linien- und Inzucht betrieben, so ist die Stimmung inzwischen ins Gegenteil umgeschlagen und der Schrei nach Fremdblut treibt recht kuriose Blüten. Einige Züchter scheinen Willens zu sein, selbst kranke Tiere in die Zucht zu nehmen nach dem Motto: bloß die Blutlinie nicht verlieren. Dass kann nicht der Sinn der Sache sein!

Durch die einstige Zuchtweise wurden schnelle Erfolge erreicht: die schneeweiße Farbe, das dunkle Pigment, der Körperbau ... das Erscheinungsbild wurde durch gezielte Verpaarungen - auch nah verwandter Hunde - geprägt. Man muss, bei aller Kritik an der Inzucht, zugeben, dass positive Eigenschaften ebenso in der Rasse gefestigt werden wie negative. Über die positiven Ergebnisse freuen wir uns heute, die negativen bereiten den Züchtern und Vereinen Kopfzerbrechen. Kein Hund ist frei von Defektgenen, wie diese sich auf die gesamte Population auswirken, wenn sie durch Inzucht gefestigt sind, lässt sich unschwer erahnen.

Die Ansichten haben sich radikal geändert ... viele Züchter suchen verzweifelt nach Hunden, die nicht mit den eigenen verwandt sind. Hierbei wird oft übersehen, dass ein fremder Hund noch lange keine Garantie für einen gesunden Wurf ist. Der AVK, richtig betrachtet, ist durchaus ein interessanter Wert, aber er kann auch trügerisch sein, denn er spiegelt ausschließlich das Verwandtschaftsverhältnis wider. Nicht mehr. Nicht weniger.

Eine Ahnentafel wie die von Fiala dürfte heutzutage selten sein. Das darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die doppelten, drei- und vierfachen Ahnen noch immer vorhanden sind. Nur ist die Darstellung, die wir bei Fiala in der vierten Generation präsentiert haben, bei den meisten Welpen inzwischen in die 6. oder 7. Generation gerutscht. Und die bekommt ein Interessent nur zu Gesicht, wenn er sehr intensive Ahnenforschung betreibt und Zugang zu den - oft peinlich gehüteten - Datenbanken hat.

Die Zucht braucht beides: Engagierte Züchter, die Risiken eingehen und versuchen, unbekannte Linien in die Zucht zu integrieren. Die alten, wohlbekannten Linien dürfen nicht durch Fremdblut ersetzt werden, sondern sie müssen erhalten bleiben. Der Ruf, dass der Genpool noch immer zu klein ist, mag in gewisser Weise richtig sein (denn er kann gar nicht groß genug sein). Dass das derzeit vorhandene Potential keinesfalls ausreicht, um die Rasse auf lange Sicht zu erhalten, ist nicht korrekt. Es muss vernünftig eingesetzt und genutzt werden. Das bedeutet auch, einzelne Hunde von der Zucht auszuschließen. Der AVK darf bei einer Verpaarung nicht zum Maß aller Dinge werden, sondern andere Faktoren wie Wesen, Gesundheit etc müssen unbedingt mit in die Planung einfließen.

Für Welpeninteressenten bedeutet dies: Achten Sie auf den AVK, aber sehen Sie ihn so, wie er gesehen werden sollte: als Mosaikstein für eine gute, zukunftsorientierte Zucht. Die anderen Steine heißen z.B. Gesundheit, ausgeglichenes, freundliches Wesen, Umweltverträglichkeit, Standardkonformität.

copyright: Gaby von Döllen, November 2006

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