9 Stunden - 9 Fotos - Indy und wir

Fotomarathon Bremen 2016

Nachdem wir im letzten Jahr zwar ohne Prämierung, aber zufrieden und glücklich-geschafft nach Hause gingen, gab es 2016 keine großen Diskussionen: die Teilnahme am Fotomarathon stand von vornherein fest, so dass Peter sich sogar ein "Early-Bird"-Ticket sichern konnte. Einen günstigen Startplatz unter den ersten 50 Meldern.

Ich selber verzichtete auf die Meldung. Die Spuren des letzten Jahres waren gerade verheilt (entzündete Blasen, Fußnagelablösung an beiden Zehen mit entsprechend schmerzhaften Folgen). Außerdem waren wir im vergangenen Jahr mit der Zeitvorgabe nicht gut zurecht gekommen. In der vorgegebenen Zeit zwei unterschiedliche Fotos zu realisieren, ergab zusätzliche Fahrtwege. Man müsste sich trennen, was wiederum auf Kosten des gemeinschaftlichen verbringen des Tages ginge. Und ... nicht zuletzt: ein weiteres Familienmitglied, unser Weißer Schäferhund Indy, erforderte Rücksichtnahme. Bei Anmeldung wußten wir noch nicht, inwieweit er belastbar und den Anforderungen gewachsen sein würde.

Also nur eine Meldung. Unsere Tochter, Indy und ich bildeten die Unterhalter, Assistenten und kreativen Mitdenker. Wir alle hatten einen oft unerwarteten, dennoch spannenden Tag. Auch ich nahm meine Kamera mit und entschied mich für ein "Making of" : Eine Darstellung von Brainstorming, Eindrücken und Entstehung einiger Szenen.

Die Regeln waren einfach: 9 Stunden (von 11 bis 20 Uhr) war Zeit, um 9 Fotos zu machen. Die Themen wurden in 3er Gruppen an den Stationen mitgeteilt. Um 20 Uhr durften nur noch 9 Fotos in der Reihenfolge der Themen auf der Speicherkarte sein. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Der erste Eindruck des Tages: Regen! Beim Treffpunkt "Kulturzentrum Schlachthof", regnete es. Mal mehr, mal weniger. Der erste flüchtige Gedanke "warum tue ich mir das eigentlich an?" wird ersetzt durch die Antwort: "Weil es riesigen Spaß macht!". Am Treffpunkt war es reichlich eng, da sich alles unter die großen Schirme und in den Eingangsbereich drängte.

Die unteren, linken Fotos zeigen die eingereichten Umsetzungen der Themen und sind von Peter. Die Fotos der rechten Leiste zeigen die Eindrücke am Rande des Marathons.

Pünktlich um 11 Uhr riefen die Veranstalter zum Gruppenfoto, kurz darauf kam Peter mit der ersten Karte und den ersten drei Themen zurück. Das Oberthema für den gesamten Wettbewerb lautete: "Läuft", die ersten drei Aufgaben: 1. "Fliegender Start", "In die Hufe kommen" und "Boxenstopp" waren im Bild zu interpretieren. Nächster Treffpunkt: Universum.

Thema 1: Fliegender Start (Foto: Peter von Döllen)

Ab ins Trockene, ins Auto. Brainstorming. Flughafen. Schnell wurden über das Internet die Abflüge gecheckt. Der nächste Abflug in die Türkei war nicht mehr erreichbar. Danach gab es eine Pause von fast 2 Stunden. Den Weg konnten wir uns sparen, wollten wir uns nicht gleich einen Zeitverzug einhandeln. Möwen, Enten, Schwäne starten fliegend. Zu banal, darauf kommt jeder. Kurzer Blick auf die beiden anderen Themen. Tankstelle für Boxenstopp, irgend etwas, das anhält, Pause ... viele Ideen kamen, damit wurde das Thema zurück gestellt. Erstmal losfahren, um in Bewegung zu kommen. Erstes Ziel: Parkhaus in der Innenstadt, auf dem Weg dorthin die Augen offen halten. Wenn alle Stricke reißen, gibt es in der Innenstadt genügend startende Tauben.

Auf der Fahrt fiel uns ein Laden mit Luftballons in die Augen. Geschlossen. Schade. Dann entdeckten wir davor bereits die ersten Teilnehmer ... mit enttäuschtem Blick. Dann war diese Idee wohl doch nichts Besonderes. Am Ende wurde der "fliegende Start" ein Papierflieger mit Startnummer. Für den roten Faden, der sich durch die Bilderreihe ziehen sollte, gab es zwei Ideen. Unser Hund Indy, der mit jedem Foto weiter in die Ferne rücken sollte und eine alte Kamera, die irgendwo im Bild auftaucht. Beides wurde realisiert, doch bereits jetzt offenbarten sich erste Probleme mit der Hundevariante. Zu unsicher, nicht genau zu platzieren und zu schnell abgelenkt. Indy ist halt kein Karhu, den man millimetergenau platzieren konnte. Aber was nicht ist ...

Indy ... unser Indy überraschte uns. Bereits am Startpunkt begrüsste er gelassen die fremden Hunde. Das Training schien Früchte zu tragen. Auch der Trubel von 300 Menschen machte ihm nichts aus. Er liess sich sogar anfassen und reagierte auf Ansprache freundlich und nicht mehr mit Gebell. Die Fotosession mit dem Papierflieger kam ihm offenbar reichlich merkwürdig vor ... die Tauben, die umhereilenden Menschen: alles war interessanter als die Kamera. Einen Moment unserer Unachtsamkeit (da wir alle auf die zweite Fotoserie konzentriert waren), nutzte er, um eine Spaziergängerin mit wütendem Gebell zu verscheuchen. Indy schweigend einfach knuddeln zu wollen, scheint noch keine gute Idee zu sein. Ich ärgerte mich. Durch derartige Unachtsamkeit meinerseits kann viel zunichte gemacht werden. Zukünftig blieb meine Aufmerksamkeit bei Indy.


Thema 2: In die Hufe kommen

Huftiere ... Pferde, Kühe, Schafe. Bürgerpark? Kurze Abwägung und ein Nein. Zu viele dürften auf diese Idee kommen. Also den übertragenen Sinn? Der erste Weg führte ins Sportschuhgeschäft. Hintergedanke: Laufband, Schuhe anziehen, irgendwas in der Richtung. Unser Wunsch, im Geschäft fotografieren zu dürfen, wurde sofort abgelehnt. Ein höflicher Rauswurf. Halbherzig brainstormten wir weiter ... Auf dem Marcusbrunnen ist doch ein Pferd .... dort angekommen stellten wir fest: Pferd: ja, doch nur der Kopf. Keine Hufe. Wenigstens gab es hier Wasser satt für den Hund. Der sich wegen der spritzenden Fontänen nicht herantraute. Also fand ich mich sitzend am Marcusbrunnen wieder, schöpfte Wasser für Indy, das der dann aus sicherem Abstand trank. Während Peter und Malin ihr zweites Foto realisierten, bemühte ich mich, das "Monster Brunnen" für Indy sympathischer zu machen.

Am Ende wurde "In die Hufe kommen" ein Fuß, der sich gerade die Schuhe anzieht.



Thema 3: Boxenstopp

Dafür fiel uns der Boxenstopp förmlich vor die Füße. Eine Figur am Marcusbrunnen, die jemand (hoffentlich kein anderer Teilnehmer des Marathons) mit zwei Alkoholflaschen bestückt hatte. Wenn das kein Boxenstopp ist ... was dann? Somit war auch Thema 3 schnell erledigt.


Danach offenbarte sich eine weitere Tücke der Regularien. Denn nachdem der Boxenstopp im Kasten war, traf eine Gruppe mit zwei Eseln am Marcusbrunnen ein. Natürlich hätte man den Boxenstopp schnell wiederholen können, um die Reihenfolge wieder herzustellen, doch irgendwie ... nein, das Thema war abgehakt.

Hier legten wir auch die Hundeserie ad acta. Es wurde einfach zu schwierig und zeitaufwändig, dazu kässt sich der Hund mit seinen acht Monaten (noch) zu wenig lenken.

Damit waren die ersten drei Themen relativ schnell abgearbeitet. Insgesamt schien das Ganze sehr viel entspannter zu werden als im letzten Jahr. Allerdings ströte nun auch keine Demonstration, denn es ging schnell weg vom Bahnhof, dem heutigen Demonstrationsort. Wir holten das Auto aus dem Parkhaus und fuhren zum Universum. Da wir den nächsten Treffpunkt und die nächsten drei Themen nicht kannten, erschien es uns flexibler, das Auto dabei zu haben. Jetzt hatte sich das Wetter bereits geändert, die Sonne strahlte und viele Teilnehmer saßen bereits auf den Treppen und genossen ihren eigenen Boxenstopp. Auch Radio Bremen hatte ein Kamerateam entsandt, heraus kam ein äußerst kurzer Bericht in "Buten & Binnen".


Thema 4: In der Luft hängen und Thema 5: Balanceakt

Die nächsten drei Themen waren so nah an der Thematik des Universums (zu dem freier Eintritt gewährt wurde), dass es schon zu offensichtlich war. Das Hundeverbot tat ein Übriges. Nächster Treffpunkt? Kleingartengebiet Peterswerder, am Weserstadion. Erste Unkereien: wer wagt es, für den "großen Wurf" das Weserstadion zu fotografieren? Nach kurzer Grübelei entschieden wir uns, sofort zum nächsten Treffpunkt zu fahren und von dort aus zu sehen, was man wie realisieren kann. Selbst als gebürtige Bremerin kannte ich diese Umgebung nicht. Ich freute mich: ich würde ein unbekanntes Stückchen Bremens kennenlernen.

Am "Galaxy" angekommen, staunten wir nicht schlecht. Direkt am Weserbogen gelegen war die vorherrschende Farbe Grün. Zahlreiche frei laufende Hunde, Radfahrer und Menschen, die einfach die Natur genossen. Wir waren in einer Oase der Großstadt angekommen. Die Zeit war nun kein maßgeblicher Faktor mehr. Da wir bereits am Folgetreffpunkt waren, hatten wir reichlich davon. Also stürmten wir mit Indy zunächst zum Weserstrand und der nahm das Angebot dankbar an. In den nächsten zwei Stunden durfte er mit verschiedenen Hunden toben, jagte verbotenerweise (und natürlich unter strengster Zurechtweisung) zweimal die Enten vom Strand und ich genoß einige Pläuschchen mit anderen Hundehaltern. Weshalb waren wir nochmal hier? Ach ja .... Fotomarathon. Ich blickte mich um. Die beiden Fotografen verabschiedeten sich ... wenn die nächsten Foto erledigt waren, würden sie mich wieder abholen.

Somit erlebte ich die Arbeiten um die in der Luft hängende Kamera nicht mit und auch den Balanceakt würde ich erst als fertige Version zu Gesicht bekommen.















Thema 6: Großer Wurf

Anschließend, inzwischen war auch Indy völlig erledigt, schlenderten wir durch das Parzellengebiet auf der Suche nach einem großen Wurf. Spielcasino. Würfel. Darts, aber auch übertragene Möglichkeiten wie Bilder großer Meister kamen uns in den Sinn. Als wir am Sportplatz am Galaxy vorbeigingen, stutzte ich. Dort spielten tatsächlich einige Menschen Boule. Genau das war Peters erste Idee gewesen, die verworfen wurde, weil wir keinen geeigneten Ort kannten. Eine weitere Idee, ein Dartspiel, scheiterte am gleichen Grund.

Hinlaufen, Spieler ansprechen und Idee verwirklichen. Jetzt, wo es eine Möglichkeit gab, war die Realisierung schnell gemacht. Die Kamera anstatt Boulekugel als Wurfobjekt. Der Blick auf die Uhr zeigte: noch eine knappe Stunde bis zum nächsten Abgabetermin, wir lagen verdammt gut in der Zeit. Der Garten am Galaxy bot Gelegenheit zum Chillen, Beobachten und Innehalten. Ich hatte mit einem hektischen Tag gerechnet, doch nun gab es zum zweiten Mal die Möglichkeit, einfach im Gras zu liegen und die Wolken zu beobachten. Herrlich. Dann starteten die ersten Teilnehmer zum letzten Drittel des Marathons. Zeit für uns, die nächsten drei Themen abzuholen. Bei den meisten Teinehmern verursachten sie ratlose Gesichter. Besonders die "Deichbremse" war allen unbekannt. Eine kurze Recherche im Internet brachte an unserem Tisch die Antwort. Ein Stuhl, der sich dem abfallenden Deich anpasst. Aha. Die Ratlosigkeit blieb - woher nehmen, wie fotografieren? Doch bisher hatten wir alle Themen gemeistert - irgendwas würde uns schon einfallen. Das Ende des Marathons würde an der Kunsthalle sein. Wir brauchten definitiv einen Deich. Also zurück in die Innenstadt.

Thema 7: Von der Rolle

Seit Beginn des Marathons hatten wir nichts gegessen. Jetzt machte sich der Hunger bemerkbar. Ein weiteres Argument für die Innenstadt. Bei dieser Gelegenheit liess sich noch ein Einkauf im Kreativladen erledigen. Geschenkpapier. Rolle. Kurz nachgedacht und gekauft. Mit leichten Erschöpfungsanzeichen genossen wir die Pommes auf dem Hanseatenhof. Indy begeisterte sich weiterhin für die Tauben. Und natürlich für die Pommes. Der Hund war sehr viel ruhiger geworden, auch ihm waren die Stapazen anzumerken. Bei Rolle kamen uns auch Schiffe in den Sinn, also führte uns unser Weg weiter an die Schlachte. Für Indy eine weitere "Wasserpause" an der Weser, während wir uns nach Rollen umsahen. Der Reinigungsdienst der Stadt beseitigte die Überbleibsel des Flohmarktes. Zahlreiche Utensilien lagen noch herum, ganze Schallplattensammlungen, Spiele (leider ohne Würfel, denn der große Wurf hätte noch ersetzt werden können) und förmlich zu Tode geliebte Spielzeugtiere kamen nun in den Müllwagen. Eine Szenerie, die wir nachdenklich betrachteten. Wie viele einzelne Geschichten steckten wohl hinter diesen achtlos liegen gelassenen Teilen? Als Malin ein Jojo in den Hinterlassenschaften entdeckte, waren wir schnell wieder beim Thema. Eine Alternative zur Geschenkpapierrolle. Kurz darauf fanden wir ein altes Korrekturband einer elektronischen Schreibmaschine. Weiter ging es von der Innenstadt in Richtung Stadion: zum Deich.

Auf einem alten Poller mit Weser im Hintergrund entstand Foto 7 ... nach diversen Versuchen mit Jojo und Korrekturband bekam nach der Löschaktion am Ende das Korrekturband den Zuschlag. Das Jojo wanderte in unsere Kuriositätensammlung und wird vielleicht beim nächsten Fotomarathon zu unserer familieninternen "MacGyver-Ausstattung" gehören, die bereits Klebeband, Schere, Edding, Schweizer Messer und ähnliche Utensilien beinhaltet.


Thema 8: Deichbremse

Bisher konnte die Kamera immer integriert werden. In diesem Fall bremste sie den Lauf der Geschenkpapierrolle am Deich. Zahlreiche Spaziergänger blieben stehen, bestaunten das Schauspiel am Deich - bestimmt nicht das erste, denn der halbe Fotomarathon war dort zu finden, um dieses Thema in Szene zu setzen. Nach mehreren Versuchen war auch hier ein zufriedenstellendes Bild produziert. Endspurt.










Thema 9: Endspurt

Nur ein kurzer Weg führte uns vom Deich zur Kunsthalle. Auf dem Weg bildete das Heinrich-Heine-Denkmal den Hintergrund zum abschließenden Foto. Geschafft. Fast. Es waren Fotos zu den Themen aufgenommen. In der richtigen Reihenfolge. Aber leider viel zu viele.













Geschafft!

Als ihm der Geruch von gebratenen Würstchen in die Nase kroch, war auch unser Indy wieder hellwach. Begeistert zerrte er uns Richtung Grill. Doch vor dem Essen blieb noch etwas zu tun: Fotos löschen. Die Kunsthalle blieb für Indy tabu - Hunde verboten. Somit musste der arme Kerl eine lange Wartezeit zwischen Grill und essenden Teilnehmern verbringen. Nach kurzer Zeit lag er bereits entspannt mit geschlossenen Augen im Gras und träumte vor sich hin. Ich vertrieb mir die Wartezeit mit Gesprächen mit anderen Teilnehmern, Diskussionen über Motive und genutzten und ungenutzten Möglichkeiten. Zur gleichen Zeit arbeiteten sich Peter und Malin durch die Fotoreihen und versuchten, das geeignetste Foto zum jeweiligen Thema zu finden und alle anderen schweren Herzens zu löschen. Nach der Abgabe ging es zur Straßenbahn, um Indy eine weitere Herausforderung abzuverlangen: Seine erste Fahrt mit der Straßenbahn. Wenn auch nur eine Haltestelle - er nahm es mit Gelassenheit.

Fazit: Ein anstrengender, aber enorm unterhaltsamer Tag. Die Entscheidung, nur einen Startplatz zu belegen, war absolut sinnvoll. Als Begleiterin habe ich nichts vermisst, meine Kamera hatte ich auch dabei, aber ich konnte dafür sorgen, dass sich Indys Belastung im Rahmen hält. Anstrengungen wie Innenstadteindrücke wechselten sich für ihn mit positiven Erlebnissen wie Toberei am Weserstrand und Spielen mit anderen Hunden ab. Er wird viel zu verarbeiten haben, aber der heutige Sonntag ist ein Tag zum Entspannen, bevor es morgen wieder in den Alltag geht.

Auf der Ausstellung am 15./16. Oktober, werden alle Umsetzungen der Themen zu sehen sein. Wir sind gespannt!



Bis zum nächsten Mal!

copyright: Gaby von Döllen, September 2016 (Fotos des Fotomarathons: Peter von Döllen, Fotos des "Making of": Gaby von Döllen)

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