White Frost

Von einer Idee zum Roman


Auf der Fahrt zu einer Hundeausstellung fiel die Bemerkung "über die gesamte Hundeszene könnte man einen Roman schreiben". So ganz richtig war das nicht: Man könnte tatsächlich mehrere Bücher füllen mit dem, was passiert oder eben auch nicht passiert.

Auf jeden Fall war diese Bemerkung, locker dahingesagt auf einer langen, einschläfernden Autofahrt, Anlaß, ernsthaft über einen Roman nachzudenken. Ein Sachbuch zu schreiben, war eine Sache. Dort sind Recherchen gefragt und sachliche Schilderungen der tatsächlichen Situation. Aber ein Roman ...?!

Der Gedanke liess mich nicht los. Man könnte ... Und damit war die Entscheidung eigentlich schon gefallen. Bis zur ersten Zeile dauerte es noch sehr lange. Auch für den Roman war "Recherche" notwendig. Es gibt tatsächlich Ratgeber zum Thema "Wie schreibe ich einen Roman?" und einige sind gar nicht mal so schlecht. Ich verkroch mich erst einmal mit Literatur, während gleichzeitig in meinem Kopf eine Handlung Form annahm.

Ich schaute mich um und wurde sensibler für die Umwelt. Viele Szenen und Situationen - auch außerhalb der Hundeszene - verfolgte ich plötzlich unter einem ganz anderen Blickwinkel. Wie entsteht ein Streit, wie läuft er ab? Konfliktsituationen sind das Salz in der Suppe eines Romans. Im Gegensatz zum täglichen Leben muss im Roman jedes Wort sitzen, damit man erreicht, was man erreichen möchte. In kaum einer Situation kann man eine Person für den Leser so sympathisch oder unsympathisch darstellen und ihre Charakterzüge deutlich zeigen.

An einem regnerischen und sehr ruhigen Wochenende bei meinen Schwiegereltern nahm ich mir ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber. Auf die Frage: "Was machst du da?" antwortete ich mit: "Ich beginne einen Roman." Niemand wunderte sich. Am Ende des Wochenendes standen die Hauptpersonen fest, ihr Alter und ihr Aussehen. Die Handlung war stichwortweise zu Papier gebracht, aber es fehlte noch sehr, sehr viel. Als nächstes folgte ich einem Tipp aus einem "Wie schreibe ich einen Roman?"-Ratgeber, über den ich mich köstlich amüsiert hatte. Aber ich war zu neugierig, es reizte mich, etwas auszuprobieren. "Schreiben Sie ein Interview mit Ihren Hauptpersonen." Ich habe tatsächlich Interviews mit Dirk, Lasse und Nelly zu Papier gebracht und muss zugeben, dass der Ratgeber Recht hatte. Über viele Einzelheiten dachte ich erst zu diesem Zeitpunkt nach und das "Interview" führte mich fast automatisch in Bereiche, an die ich noch gar nicht gedacht hatte.

Dann wurde die stichpunktartige Rahmenhandlung vervollständigt und in Kapiteln festgelegt. In welcher Reihenfolge passiert was? Was möchte ich mit welchem Kapitel beim Leser erreichen - welche Emotionen, wer bezieht Stellung, wessen Standpunkte bleiben unklar? Welche Personen sind beteiligt? Wohin verlege ich die Handlung? (Hundeplatz, Wohnung ... Vor- und Nachteile dieser Orte ... eine Wohnung ist eine sehr ruhige Umgebung, deren Beschreibung aber wieder ein Mosaikstein zum Charakter einer Person ist. Der Hundeplatz ist unruhig, hilft aber, ein etwas langweiliges Gespräch mit Leben zu füllen). Auch die zeitliche Bestimmung spielte eine Rolle. Benötige ich für eine bestimmte Szene einen bestimmten Monat / eine bestimmte Jahreszeit? Das war im zweiten Roman sehr wichtig, denn die übrigen Kapitel müssen den Jahreszeiten entsprechend angepasst werden. Wenn man eben noch die Obstbaumblüte bewundert hat, kann es nicht schneien, auch wenn es noch so gut in den Ablauf passen würde. Da muss eine "entweder-oder"-Entscheidung her, die auch die vorigen und folgenden Kapiteln beeinflusst.

Eine schwierige Angelegenheit ist es, Lücken in der Rahmenhandlung zu füllen. Hier helfen Nebenpersonen, ungewöhnliche Orte und in den White Frost Romanen alles, was mit Zucht, Ausbildung und Verhalten zu tun hat. In "Nellys Traum" diente eine Ausbildungsstunde auf dem Hundeplatz fast ausschließlich dazu, einen Zeitraum von mehreren Wochen zu überbrücken. Diese "Lücken" ergeben sich leider zwangsläufig, durch den Handlungsablauf sind sie vorher klar zu erkennen. Somit konnte ich hier von vornherein Kapitel vorsehen, die den Ablauf wieder flüssig machen.

Noch war kein Wort des Romans geschrieben. Es waren Gedanken, ein Gerüst, das übrigens die Handlung der beiden Romane beinhaltete. Die Teilung in zwei Bücher nahm ich erst zu einem viel späteren Zeitpunkt vor, denn eigentlich handelt es sich bei "Abschied von Atlantis" und "Nellys Traum" um eine einzige Geschichte.

Irgendwann saß ich dann am Computer, öffnete ein Dokument und saß vor einem weißen Blatt.